Dienstag, 9. Februar 2010

Warum die Unterschicht früher stirbt: Prävention und Ernährung

So heute mal etwas Sozialkritisches (muss auch mal sein, weil wichtig) und zwar über den Zusammenhang zwischen Gesellschaftsschicht, man kann auch sagen: Geldbeutel, und Gesundheit, insbesondere gesunder Ernährung. Es ist schon viel zurecht geschrieben worden, dass die Mitglieder der Unterschicht tendenziell kränker als die der Mittelschicht sind, da sie tendenziell ungesünder leben (ja, natürlich nicht alle, aber Ausnahmen bestätigen die Regel). Dazu gibt es schöne Statistiken, die belegen, dass in der Unterschicht prozentual häufiger und mehr Alkohol getrunken wird, häufiger und mehr geraucht wird sowie fetter und ungesünder gegessen wird. Stichwort: kurz mal zu McDonalds oder eine Currywurst mit Pommes (oder dem Kind kurz mal paar Euro dafür geben, dann nervt es einen nicht mehr) - hingegen Gemüse und Obst sowie Kochen mit frischen Zutaten und ausgewogene Ernährung Mangelware.

Zum letzten Punkt haben Thilo Sarrazin und andere schon viel gesagt und geschrieben. Über Sarrazin kann man (zurecht) streiten. Manches, was er von sich gibt, liegt neben der Sache und ist unüberlegt. Manche Themen treffen jedoch den Nagel auf den Kopf und geben dazu noch die Meinung weiter Teile der Bevölkerung wieder. Und meines Wissens und meiner Meinung nach gehört die berühmte Aussage mit dem zu fetten Essen und nur Tiefkühlsachen oder ähnlichem statt Kochen mit frischen Zutaten von insbesondere Hartz-IV-Empfängern dazu. Das ist viel Wahres dran. Man darf dazu nicht vergessen, dass dies auch eine Sache des schmalen Geldbeutels ist, aber auch von Nichtwissen und Bequemlichkeit in der Unterschicht.

Laut mehreren Studien und damit zusamhängenden Angaben des Tagesspiegels (Artikel "Viel mehr geht nicht" von David Lerch, Wirtschaftsteil, S. 27,  07.02.2010) achten rund ein Viertel der deutschen Haushalte Experten zufolge beim Lebensmittelkauf ausschließlich auf den Preis. Und ich füge hinzu: sie müssen darauf achten, denn das sind in aller Regel die Millionen von Hartz-IV-Empfängern, Rentnern (nicht die vielen wohlhabenden superfitten Nordic Walkern in unseren Parks und Wäldern), Alleinerziehenden usw. Das führt dazu, dass diese fast ausschließlich bei Discountern einkaufen und ganz oft Lebensmittel kaufen, die sich gerade im Angebot befinden. Das muss per se noch nicht heißen, dass die Qualität der Lebensmittel schlechter als woanders ist oder gar die Gesundheit dieser Klientel gefährdet, aber oft wird es der Fall sein.

Denselben Experten zufolge orientiert sich die Mittelschicht eher an der Qualität der Produkte als am Preis. Logisch, denn sie haben ja die finanziellen Mittel für dieses Vorgehen, anders als die vorhin Genannten. Der Werbeslogan "Geiz ist geil" einer großen Elektronikkette über lange Jahre ist damit längst Geschichte (kein Wunder, dass diese Kette diesen Claim vor einiger Zeit zugunsten eines anderen harmloseren aufgab). Sitten und Einstellungen ändern sich, auch von Schichten.

Das ist einerseits meiner Meinung nach zu begrüßen, da solche Fehlentwicklungen wie "Geiz ist geil" zu Lohndumping, Unterdrucksetzen oder gar Beobachten von (kleinen) Mitarbeitern und Qualitätsverlusten führt, siehe eine große Drogeriekette, die ihre fast ausschließlich weiblichen Angestellten oft übel bezahlt und behandelt - ist ganz leicht zu ergoogeln, wen ich meine, darüber wurde viel berichtet. Und ebenso leicht wohl zuermitteln: der Lebensmitteldiscounter, der seine in der Regel ebenfalls weiblichen Angestellen ähnlich oft übel bezahlt, behandelt - und sogar ausspät. Die Liste kann man noch locker verlängern, aber das sind die beiden krassesten Fälle meiner Ansicht nach. Der Verbraucher sollte sich gut überlegen, was und wo er etwas kauft, das ist seine Macht, vielleicht die einzige, die er heute noch hat.

Andererseits führt das Geld und diese Denken/Handeln der Mittelschicht aber dazu, dass sie qualitativ hochwertigere Lebensmittel kaufen können, dies in der Regel auch tun und somit gesünder leben. Und auch länger leben (vergleiche Statistiken, auch insbesondere von Industrie- zu Drittweltstaaten oder ehemaliger Ostblock zum Westen). Dies bewirkt der Einsatz des Geldbeutels, verknüpft mit einem größeren Interesse und größeren Wissen an gesunden Lebensweisen und dem Willen dazu. Bei vielen Angehörigen der Unterschicht scheint es an mindestens einem dieser Punkte zu fehlen - leider.

Das ist wiederum der Ansatz des Präventionsgedankens. Dass Prävention im Sinne von Aufklärung der Bevölkerung über gesunde Lebensweisen, wichtig ist, haben vor allem Parteien und Verbände auf dem linken, sozialeren politischen Spektrum seit Jahren erkannt. Diese wollen naturgemäß nach ihrer Ideologie und ihrem Klientel die schichtspezifischen Unterschiede in der Prävention deutlich machen und möglichst in ferner Zukunft verschwinden lassen. Und daher fordern diese Interessengruppen ebensolange ein Präventionsgesetz.

Teile der konservativen Parteien (Union, FDP) und Verbände haben diese Erkenntnisse zwar auch mittlerweile angenommen, sie wurden dazu mühsam von den erstegenannten Gruppen überzeugt, aber große Teile von ihnen wehren sich gegen diese Erkenntnisse bzw. nehmen sie nicht so ernst, da sie ihrer Klientel oft egal sein können. Und daher haben die konservativen Interessengruppen ein solches "Präventionsgesetz" blockiert (zu den ganz guten Argumenten beider Seiten vergleiche den gleichnamigen Wikipedia-Artikel). Ein gutes Argument ist sicherlich, dass die Krankenkassen ja Millionen von Euro bereits jetzt in diverse je nach Kasse unterschiedliche Präventionsprogramme stecken.

Nur leider nehmen diese von letztlich allen Versicherten finanzierten Maßnahmen vor allem eine Personengruppe in Anspruch: die Mittelschicht, insbesondere die gesundheitsbewusste und manchmal leicht esoterisch bzw. ökomäßig angehauchte Mittvierzigerin oder älter. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz, denn der Sinn der Präventionsprogramme, die der Gesellschaft maximalen Nutzen bringen sollten, ist doch gerade, dass die Unterschicht dabei mitgenommen wird. Und sich nach deren Besuch gesundheitlich vernünftiger verhält: gesünder einkauft und isst, sich mehr bewegt, weniger raucht und Alkohol konsumiert, wie in der Mittelschicht bereits jetzt schon viele. Diese Punkte sind laut fast allen Ärzten und deren Organisationen unstrittigerweise die Hauptursachen für ein langes gesundes Leben ohne die bekannten Volkskrankheiten und teilweise sogar ohne Krebs.

Was denkt ihr, hat der Healthfox den Nagel auf den Kopf getroffen oder übersieht er (noch) etwas?

Beste Grüße
Euer Healthfox

Mittwoch, 3. Februar 2010

Erste Kassen knöpfen Versicherten mehr als acht Euro Zusatzbeitrag ab

Es wird immer härter für die Versicherten einer gesetzlichen Krankenkasse (GKV). So fordern jetzt die ersten Kassen sogar mehr als acht Euro Zusatzbeitrag. So erheben die BKK Heilberufe und die GBK Köln  jetzt den gesetzlich höchstmöglichsten Zusatzbeitrag von maximal 37,50 Euro (nach Informationen der «Rheinischen Post») .

Dass dieser Zusatzbeitrag ein Prozent des Bruttoeinkommens des Versicherten nicht übersteigen darf, also für diese Versicherten kleiner als die 37,50 Euro ist, ist nur ein schwacher Trost. Die BKK Westfalen-Lippe verlangt zwölf Euro. Das ist auch hart für die Versicherten. Auch wenn die Argumentation des Vorstandschef ebenso geschickt wie rechtlich korrekt ist: die Erhebung von zwölf Euro sei gerechter als acht Euro. Denn nur bei Beträgen über acht Euro gilt der genannte Deckel von ein Prozent des Bruttoeinkommens des Versicherten. Also zahlt der Hartz IV-Bezieher oder der Student oder Arbeitnehmer mit geringen Einkommen weniger als acht Euro.

Diese zieht allerdings einen erhöhten bürokratischen Aufwand der Einzelprüfung des Vermögens eines jeden einzelnen Versicherten durch die Kasse nach sich. Und deshalb haben bislang alle Kassen die ohne diese Prüfung möglichen acht Euro verlangt und werden es auch künftig in der Regel (mit Ausnahmen) nur verlangen meiner Ansicht nach. Dieser bürokratische Aufwand kostet die Kassen Personalressourcen und uns Versicherten Geld. Ein guter Teil des Zusatzbeitrages geht wieder drauf dabei. Und spätestens da beißt sich das bestehende System in den Schwanz.

Daher ja auch die Änderungswünsche am bestehenden System von Rösler und der FDP, da es ihnen ja gut in den Kram passt, ihre bereits vorher bestehenden Reformpläne durchzupeitschen. Und gegen eine Kopfpauschale, wobei Großteile der Bevölkerung zu Bittstellern würden, Rösler nennt das "sozialer Ausgleich", laufen natürlich die linken und sozialeren Parteien und Vereinigungen Sturm wie SPD, Grüne, Linke und - hier sogar - die CSU. Und wegen der Letzteren, als Regierungspartei Röslers Parnter, ist es ziemlich ungewiss, ob Röslers Pläne politisch durchkommen. Zumal bei der jetzigen Wirtschafts- und Finanzkrise mit dem geringen Steueraufkommen für Bund, Länder und Kommunen und der horrenden Neuverschuldung, auch für mehr oder weniger sinnvolle Konjunkturprogramme. Und Röslers Reform kostet viele Milliarden (gar 20 oder 30?), die momentan daher eigentlich nicht da sind. Seien wir gespannt auf die weitere Entwicklung, dieser Blog wird am Ball bleiben.

Beste Grüße
Euer Healthfox, ein Insider des Systems

Ausgangsquelle: dpa-Meldung von heute: "Erste Krankenkassen wollen höheren Zusatz"