Mittwoch, 20. Januar 2010

Geldmaschine für Pharmaunternehmen oder Zusatznutzen für Patienten durch neue Medikamente?

In der Berliner Zeitung von heute wird unter der Titelzeile "Einer gegen alle" kompetent beschrieben, wie Peter Sawicki, Leiter des IQWiG, von der Pharmalobby und interessierten Teilen der Politik angegriffen wird.

Meine Gedanken dazu: Es geht dabei wie immer in solchen Diskussionen über die Kernfrage, ob neue Medikamente der Arzneimittelhersteller einen Mehrwert für den Patienten haben oder als Geldmaschine für Pharmafirmen dienen. Dazu muss man wissen, dass jede Entwicklung eines neuen Arzneimittels viel Geld kostet, sehr viel Geld. Hohe technische Entwicklungskosten, hohe Personalkosten, hohe Vertriebskosten, Kosten für diverse Genehmigungsverfahren und Tests durch deutsche und europäische Institutionen usw.  Und dass die Arzneimittelhersteller diese Kosten wieder hereinbekommen wollen, ist ganz normal im Wirtschaftsleben. Also per se nichts Verwerfliches.

Die andere Seite sind wir, die Patienten und die Versicherten der Krankenkassen. (Da 90 Prozent der Deutschen in der GKV (gesetzliche Krankenversicherung) versichert sind, konzentriere ich mich hierbei mal auf die GKV). Sie bezahlen durch ihre Beiträge jedes neue Medikament. Und gerade die neuen sind teuer, meist sogar sehr teuer. Denn sie sind noch patentgeschützt, anders als die Generika, wo der Patentschutz im Laufe der Jahre ausgelaufen ist, z. B. die Kopfschmerz- oder Halstabletten für ein paar Euro in der Apotheke - diese sind dazu noch meist verschreibungsfrei.

Und da kommt Sawicki ins Spiel. Er ist Leiter des IQWiG, eines unabhängigen wissenschaftlichen Institut, das im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) oder des Bundesministeriums für Gesundheit untersucht, ob das neue Medikament einen Zusatznutzen hat - dann bezahlt es die Krankenkasse, nachdem die Bewertungen des Instituts dem G-BA als Empfehlung zur Beschlussfassung vorgelegt worden sind. Finanziert wird das IQWiG aus Mitteln der GKV.
Wenn das Arzneimittel keinen Zusatznutzen hat - dann bezahlt es die Krankenkasse nicht. Oder nur einen Teil davon ("Festbetrag"), den Rest zahlt der Patient, was für finanzschwächere bitter sein kann. Unter Umständen bleiben die Arzneimittelhersteller also auf ihren hohen Entwicklungskosten sitzen, weil keiner oder nur wenige Patienten ihre neue Arznei mehr kaufen. Ein Medikament ohne Zusatznutzen bringt dem Patienten und Beitragszahler aber nichts. Oder vielleicht doch?
 
Um die Sache zu verkomplizieren, muss man wissen, dass es mache Zusatzstoffe in Medikamenten gibt, die das Medikament, obwohl wirkstoffgleich mit Konkurrenzprodukten, besser verträglich für manche Patienten machen - das betrifft manche Arzneimittel, lange nicht alle. Und diese hätten dann doch einen Zusatznutzen für den Patienten. Manche Medikamente haben aber nicht einmal solchen Zusatznutzen, sondern dienen nur als Geldmaschine für die Arzneimittelhersteller.

Und so ist es momentan fraglich, ob Sawickis Vertrag verlängert wird, was manche interessierte Pharma- und Politikerkreise nicht wollen, da er und sein Institut ihnen unbequem sind. Denn Pharmaunternehmen bieten viele Arbeitsplätze in Deutschland, in Entwicklung, Verwaltung und Vertrieb. Und einem Lokalpolitiker kann man schon einmal zu verstehen geben, dass unter gewissen gesetzlichen und politischen Voraussetzungen Pharmaunternehmen XY leider seinen Wahlkreis verlassen muss.

Manche sagen, Sawicki ermittelt objektiv den Zusatznutzen von neuen Medikamenten und hilft der GKV, und damit uns Beitragszahlern, eine Menge Geld zu sparen. Andere sagen, er ermittelt tendenziös und unobjektiv und hat die Pharmalobby als Feindbild.

Da trifft es sich gut, dass Sawicki sich angeblich Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung von Dienstreisen geleistet hat, wie aus einem geheimen Bericht der Wirtschaftsprüfer BDO von vor ein paar Tagen hervorgehen soll. Doch ist Sawickis Arbeitsvertrag so kompliziert formuliert, dass man einwenden kann, er habe nur ein Teilschuld bzw. es liege nur ein verzeihliches Versehen durch ihn vor. Die Frage von Sawickis Schuld wage ich nicht zu beurteilen, auch da mir die Detailinformationen dazu fehlen, das sollen die zuständigen Stellen tun.

Ich will hier nur die Interessenlagen der Beteiligten darstellen, um euch, die Leser meines Blogs, zu informieren. Und so hoffe ich, dass sich jeder von euch jetzt selbst ein Bild machen und Schlüsse aus meinen Informationen ziehen kann.

Bald nehme ich mir ein völlig anderes Thema der Gesundheitspolitik vor. Solange die Frage: Was sagt ihr zu meinem ersten Blog?

Beste Grüße
Healthfox

1 Kommentar:

  1. Hallo Healthfox,
    ich bin als gesundheitspolitisch Interessierte auf deinen Blog gestoßen.
    Ich finde, dass du deinen ersten Beitrag hier kompetent verfasst hast.
    Mir ist wichtig, dass ein neues Medikament wirklich Verbesserungen im Vergleich zum alten Medikament bringt, mindestens weniger Nebenwirkungen durch andere Inhaltsstoffe.
    Sonst soll meine Krankenkasse nicht der Pharmalobby Geld in den Rachen werfen.
    Weiter so!
    Eppiline

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